Karl Günther Hufnagel

 

 

 



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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. November 2002

Hitler im Vorgarten
Karl Günther Hufnagel protokolliert eine Reliquien-Obsession
von Peter Roos

"Soweit ich mich erinnere, habe ich immer auf Hitlers Schulter gesessen." Mit diesem psychopoetischen Programm beginnt der Ich-Erzähler seinen phantasmagorischen Kreuzweg. Aus der Wohnung fremder Leute treibt es ihn durch den Vorgarten auf den Marktplatz einer Kleinstadt direkt in die Psychiatrie, ortlose Stationen einer Obsession der Wiedergängerei. Hitler ist immer dabei. Der Ich-Sucher gräbt wieder und wieder den Leichnam des Diktators aus seinem Vorgarten aus und ein; der Ich-Prophet trägt den verwesten Körper durch die Straßen, zieht ihn an, zieht ihn aus, tränkt und füttert ihn und führt ihn vor: Ecce Homo. Zulauf findet er allerorten mit der stinkenden Reliquie, um schließlich als Ich-Messias in einem Mysterienspiel seine Heilsbotschaft zu verkünden: Nur mit Hitler von Hitler genesen! Den Untoten wird man nur los,, wenn man sich durch seine Eingeweide wühlt! Doch die Passion scheitert, der Erleuchtete wird verhöhnt, die Wahrheit unterliegt dem Irrsinn: "Ich habe den richtigen Führer ausgewählt, den einmaligen, der sich nur mir zu erkennen gibt, mir, dem Dichter."

Karl Günther Hufnagel hat mit seinem "Wiedergänger" ein Stück Mischprosa vorgelegt. Die Herausgeberfiktion des Psychiaters bündelt das als Aufzeichnungen eines Patienten deklarierte Konvolut, collagiert aus Dialog und Rhapsodie, Apokalypse und Parusie, Fragment, Wahnrede und These, Drama, Erzählung. Der Mahlstrom von Un- und Unterbewußtsein überspült den stream of consciousness dieser heterogenen Mono-, Dia- und Polyloge. Verstörend, irritierend und aufregend ist diese Hitler-Obsession. Schwerste Lektüre ist sie auch. Das Lesen wird zum Vorgang, und zwar zum schweißtreibenden, den man nicht kommod im Sessel vollzieht: "ein Pfingsten ... abgeschabt von den Knochen des Hitler". Abgestützt und überhöht wird die literarische und intellektuelle Innovation der Hitler-Ikone durch die zwei gänzlich konventionellen Topoi des Künstler- und Liebesromans. So ist der Dichter der Narr, der als einziger den Heilsweg der Vernunft durch den Irrsinn beschreitet, indem er Kunst aus Leben schafft. Und natürlich ist dies ein männlicher Musensohn, der das Spiel von Liebe und Tod über dem Fleisch der Frau aufführt.

Kafka, Goethe, Hölderlin, Freud und Beckett heideggern durch freie Rhythmen eines grandiosen Wortschwalls und Wörterschwulsts zwischen metaphysischer Verquastheit und somnambuler Hellsicht. Sprache wird sich selbst zum Gegenstand, das Lexikon beugt sich über sich selbst und schreckt nicht vor Platitüden den zurück wie "Kunst ist Schwindel". Vor diesem traditionellen Fond hebt sich um so mächtiger der Sog der neuartigen Hitler-Befassung ab:

Hufnagel setzt seine Hitler-Hegemonie dem Freudschen Motto des Durcharbeitens aus und macht daraus literarische Methode: "Ich will mich nähren von Deinem Fleisch und es wieder ausspucken" / "Tinte, Papier und Druckerschwärze werden dein Ende bedeuten" / "Habe ich dich begriffen, magst du zur Hölle fahren!" Erst dann ist Ruhe. Wie auch immer fäkalisch, kannibalisch, koprophil diese Poetik exekutiert wird - von Hitlers Hand bis zu seinen Därmen - , sie ist beeindruckend. Ein Grenzgang, wie dieser Schriftsteller mit seiner Hitler-Krankheit umgeht und wie er von Elektroschock zu Elektroschock die Befassungsgewohnheiten mit der Figur des Führers durchschüttelt.





literaturkritik, 30. Mai 2002

Wir haben uns gefunden
Karl Günther Hufnagels Erzählung "Der Wiedergänger" konfrontiert mit einem verrückten Versuch von Vergangenheitsbewältigung
von Marcel Atze

"So weit ich mich erinnere, habe ich immer auf Hitlers Schulter gesessen. Jahrzehnte in jedem Fall. Wenn der den Arm hebt zu seinem Gruß, küsse ich die Hand. Ich schmecke das Blut. Mein Zustand ist der Rausch." So beginnen die schriftlichen Bekenntnisse eines Kranken, der in einer psychiatrischen Landesklinik interniert ist. Ein Arzt will sie bei seinem angeblichen Lieblingspatienten vorgefunden haben und dem interessierten Publikum zugänglich machen. "Mögen Sie darüber urteilen", heißt es in seiner Vorbemerkung, "ob ein krankes Hirn diese Aufzeichnungen diktiert hat." Wer einwendet, daß ihm ein solches Szenario durchaus bekannt vorkommt, denkt womöglich an Oskar Matzerath, den zu kurz geratenen Helden aus dem Roman "Die Blechtrommel" von Günter Grass. Auch dieser bringt ja seine Memoiren als Insasse einer psychiatrischen Anstalt zu Papier. Um einen Schelm von der Sorte Oskars handelt es sich hier zwar beileibe nicht, doch noch etwas hat der namenlos bleibende Ich-Erzähler, den Hufnagel uns präsentiert, mit dem berühmten Kleinwüchsigen gemeinsam: das stets betonte Künstlertum.

Es sei daran erinnert: Oskar nutzt seine Trommelkünste unter anderem dazu, seine Zuhörer mit ihrer individuellen Vergangenheit zu konfrontieren. Er nennt diesen akustischen Zugriff auf die sonst gut versteckten persönlichen Geheimarchive in jedermanns Seele die Kunst des "Zurücktrommelns". Auch Hufnagels Protagonist lehnt eine allzu selektive Gedächtnisfähigkeit ab. "Mir ist Arbeit an der Erinnerung zuwider, Erinnerung ist Selbstbetrug, der zutage fördert, was bequem ist, er dient gegen die jeweilige Lebensplage. Ich wähle nicht zu meinem Nutzen aus, lieber lasse ich mein Bewußtsein überschwemmen von der Gleichzeitigkeit allen Geschehens, nichts soll mir entkommen, ein Nacheinander ist mir fremd, ich suche den Zusammenhang der Dinge und Ereignisse." Die Kunst des literarischen Nachfahren Oskars ist das Schreiben: "Ich bin der Dichter", behauptet er selbstbewusst von sich. "Glauben kommt mir allseits entgegen, heftet sich an mich, so daß ich den Ruch von Wundertätigkeit an mir bemerke." In der Klinik bezeichnet man ihn als "den Besonderen".
Interniert wird der Besondere deshalb, weil ihn Nachbarn bei einer lautstark gehaltenen Grabrede auf Hitler hören, dessen leibliche Überreste er in seinem Vorgarten verscharrt haben will. Denn er lacht nur über die allgemeine Ansicht, wonach der Diktator im Jahr 1945 verbrannt worden sei. Als Mensch gewordene Made will er den Leichnam für seine Zwecke erkunden, ja er nähre sich "noch immer von des Führers Fleisch, durch das ich mich bohre, ohne Unterlaß bemüht, die Seele zu finden". Das Geheimnis dieser Seele zu entschlüsseln scheint ihm die notwendige Bedingung dafür, um auch dem Verhalten der einstigen Mitläufer auf die Spur zu kommen. "Ich bin dabei", so liest man, "den Verbrecher zu erkunden und warum jeder in dem seine Heimat hat." Die ehemaligen Anhänger des Führers leben in derart geordneten Verhältnissen, daß selbst die Opfer, die man in Hitlers Namen zu verantworten hat, zuhause der Größe nach und nackt gestapelt liegen, sie bei Bedarf also leicht zugänglich wären. Die Leichen aber sind anscheinend nur für die ehemaligen Täter sichtbar, sie fallen nicht der Fäulnis anheim, von den Mumifizierten geht kein Verwesungsgeruch aus. Daraus könnten die Verantwortlichen folgern, daß auch ihre Schuld mit der ins Land gehenden Zeit nicht geringer wird. Doch weit gefehlt. Lakonisch heißt es nur: "Was nicht stinkt, kann nicht vorhanden sein."

Hufnagels Held aber scheut sich nicht vor auflösendem Aas, nämlich dem des Führers: "Schon stinke ich nach dir, ich darf mich freuen, ich habe mich nicht getäuscht. Sollen mich die Ahnungslosen für verrückt erklären, mögen die sich ekeln vor meinem Geruch, mich mißachten wegen meiner Verzweiflung, die sich nicht getrauen, ihre Augen zu öffnen. Ich bin im Besitz des Führers, du gehörst mir." Die metaphorischen Überreste sollen dem Dichter auf der Mission Vergangenheitsbewältigung behilflich sein, um die Mitwelt aufzurütteln und das offenbar noch immer gefangene Volk aus seinem Bann zu lösen: "Tinte, Papier und Druckerschwärze werden dein Ende bedeuten. Habe ich dich begriffen, magst du zur Hölle fahren. Was du Volk nennst, wird frei von deinem Zauber."

Er schreibt ein Stück, das zu der Therapie gehört, die der als krank Geltende sowohl den Mitpatienten als auch den Gesunden anbietet. In einer Art Totengespräch treten vier Personen auf: Mac ist Hitler, hinter der mit Lady Bezeichneten verbirgt sich Eva Braun. Jeanni ist ein in Bergen-Belsen umgekommenes Opfer und Monika eine angebliche Tochter Hitlers, über die Mac sich beschwert: "Sie hat gewagt zu leben, als ich schon tot war." Monika steht für das weiterexistierende Volk. Das Manuskript wird zwar innerhalb der Anstalt herumgereicht, zu einer Aufführung kommt es indessen nicht. Sein Arzt weiß dies zu verhindern: "Ihre Literatur ist keine Literatur, die für Menschen geeignet wäre; schon gar nicht für Kranke." Der Vertreter der Gesunden hält ein Plädoyer für den Sprung in den Fluß Lethe. Und dafür sei die Kunst des Dichters ungeeignet: "Sie erfüllt keine Aufgabe. Helfen Sie beim Vergessen. Vergessen zu können ist die Voraussetzung des persönlichen Gleichgewichts. Das gilt es herzustellen." Das Wühlen in den vergangenen Zeitläuften wird vom Therapeuten abgelehnt: "Sie haben sich verschmutzt, waschen Sie den Dreck ab, der an Ihnen kleben geblieben ist. Dann können wir weiterreden. Das Aufdecken des Untersten ist ein Zwang, dem Sie erlegen sind. Hier bei uns sind Sie, damit der sich lindere." Im Stillen antwortet der Dichter: "Die Art der Verschmutzung richtet sich nach der Beschaffenheit des Materials, mein Material sind die Menschen."

Hufnagels Erzählung entpuppt sich als ein beängstigendes Vexierspiel, in dem die Frage, wer denn gesund und wer krank ist, was Wirklichkeit und was Alptraum ist, nicht mehr beantwortet werden kann. In einem dunklen Gesicht etwa bringt der Dichter den toten Hitler in die Anstalt. Dieser aber wird durch die wie besessen jubelnden Kranken zum Leben erweckt. Er erhält, wie der leibhaftige Hitler, einen Teil seiner Kraft durch das Auditorium. Der Auftritt mutiert plötzlich zu einer kultischen Inszenierung, zu einem Parteitag en miniature. Umgeben von einem Fahnenmeer schreitet Hitler durch die ,via triumphalis' auf sein Rednerpult zu: "Meine Wahnsinnigen", sagt er, "ich habe euch gesucht, und wir haben uns gefunden." Tatsächlich hatte Hitler auf dem Parteitag im Jahre 1936 Ähnliches ausgerufen: "Das ist das Wunder unserer Zeit, daß ihr mich gefunden habt - daß ihr mich gefunden habt unter so vielen Millionen! Und daß ich euch gefunden habe, das ist Deutschlands Glück." Hufnagels eindeutige Anspielung legt eines nahe: Der Ich-Erzähler führt dieses Deutschland als überdimensionierte Irrenanstalt vor und zieht ein ernüchterndes Fazit: "Das ist die Gesundheit, die angestrebt wird. Wohlbehagen breitet sich aus, die Gewißheit eines Heils, das alle verbindet, die Gemeinschaft ist hergestellt." Die Ärzte jedoch behaupten, daß dieser Hitler-Wiedergänger eine Erfindung des Dichters sei, "der wirkliche ein anderer gewesen, erklärbar mittels einer ihrer Methoden, mein Scheusal die Ausgeburt eines kranken Hirns".

Der Künstler lässt sich freilich von seiner Kunst nicht abbringen. Er begreift sich einerseits als das Medium der Opfer: Keiner könne ihn daran hindern, so meint er, "mit den vielen Zungen der Toten zu sprechen, die nur ich verstehe, die ich in Wörter bringe, die laut und deutlich sind, damit jeder sie hören kann". Andererseits will er aber auch den Hitler-Part geben: "Du wirst deinen Mund öffnen, und ich will deine Zunge sein. Heil werde denen, die du betrogen hast. Ich bin das einzige an Volk, was dir geblieben ist. Ich werde als Volkesstimme reden, in der Sprache des Führers, die sie verstehen und immer verstehen werden." Die Erzählung endet mit der öffentlichen Aufführung des Stücks auf dem Marktplatz einer Stadt. Die Schauspieler müssen vor den vielen Zuschauern - wie die Leichen in den heimischen Ablagen - nackt sein. Der Dichter glaubt an die kathartische Wirkung seines Werkes: "Die Sätze reinigen die Gegenstände von ihrem Schmutz. Am Ende würde die Kunst die Gemeinheit getilgt haben, wie ich es mit meinem Hitler vorhabe. Ich brenne Bilder des Grauens in die Herzen, hoffe auf Widerwillen, einen Widerstand, der den Schmutz austilgen will, ihn wegschüttet samt der Brühe, auf der er durch die Stadt schwimmt." Für die zuletzt ausbrechende Hybris des Ich-Erzählers steht die Überzeugung, daß seine Kunst des "Zurückschreibens" die Menschen verändert. "Nie mehr würde geschehen, was geschehen war."

Doch das Unterfangen, von dem man nicht mehr weiß, auf welcher Bewußtseinsebene es stattfindet, scheitert. Die Schauspieler werden von den Zusehern gejagt, der Autor überlebt mit knapper Not. Danach aber trat, so formuliert es jedenfalls der herausgebende Arzt, eine psychische Gesundung ein, mit der sich dieser sehr zufrieden zeigt: "Ohne Seditativa einzunehmen verwandelte der Patient sich zu einem beruhigten Menschen. Seine Arbeit bei einer Versicherungsgesellschaft verrichtet er seitdem zur vollen Zufriedenheit der Firma." Der Bruch ist da, die Situation völlig umgekippt. So scheint schließlich der einzig Gesunde verrückt geworden an seiner krankhaft vergessenden Umgebung.





NDR 3 - Kulturelles Wort/Literatur, 5. Februar 2002

Karl Günther Hufnagel: "Der Wiedergänger"
von Ivo Frenzel

Er gehört zum Münchner Urgestein: zwischen 1960 und 1980 hat er einige Romane veröffentlicht, denen die Kritik Meisterschaft attestierte und den Autor ins Umfeld der Werke von George Bernanos, Julien Green und Witold Gombrowicz rückte. Dann verwischten sich die Spuren literarischer Tätigkeit. Nun aber hat der heute dreiundsiebzigjährige Einzelgänger Karl Günther Hufnagel zwei neue Erzählungen veröffentlicht: Bei Axel Dielmann in Frankfurt am Main den Text "Geburt eines Dichters im Bürgerkrieg" - die Geschichte eines Reporters der Boulevardpresse, anzusiedeln etwa zwischen Heinrich Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und der Figur des Baby Schimmerlos, der Franz Xaver Kroetz in der Fernsehserie "Kir Royal" so eindrucksvoll zum Leben verhalf.

Neben dieser scharfsinnigen Studie ist die zweite, im Berliner Gemini Verlag erschienene Erzählung Der Wiedergänger schon wegen ihres Sujets weitaus verwegener. Hier betritt Adolf Hitler die Bühne auf Hufnagels kleinem Welttheater - freilich nicht als reale Person, sondern als Zombie. So bezeichnen Afrikaner einen Toten, der durch Zauberei wieder zum Leben erweckt, damit aber zum willenlosen Werkzeug des Zauberers wurde. Der freilich ist der Autor selbst, der als Ich-Erzähler in die Rolle eines Geisteskranken schlüpft und dessen Bekenntnisse mit folgenden Sätzen beginnen:

"So weit ich mich erinnere, habe ich immer auf Hitlers Schulter gesessen. Jahrzehnte in jedem Fall. Wenn der den Arm hebt zum Gruß, küsse ich die Hand. Ich schmecke das Blut. Mein Zustand ist der Rausch."

Wegen solcher Wahnvorstellungen ist der Mann, den sie Hans nennen und der mit seiner Frau Gretel und den Kindern Fritz und Anna ein kleinbürgerliches Leben führt, in eine Heilanstalt eingewiesen worden. Seine Ehe scheint durch Alkohol und stets gegenwärtige sexuelle Obsessionen ruiniert, aber das Unwohlsein des Erzählers beruht wohl nicht so sehr auf diesen tristen äußeren Umständen seiner Existenz, als vielmehr auf dem Gefühl, daß er in seiner ungeliebten Wohnung auf und zwischen den Leichen sitzt, die der blutrünstige Führer bei seinem Marsch in den Untergang mit sich gerissen hat. Das Leben ist weitergegangen, die Menschen frühstücken in ihren Wohnküchen, die auf blutgetränkter Erde stehen: sie merken nicht, daß zwischen ihnen die Toten gestapelt sind. Was Alexander Mitscherlich einst in seinem berühmten Buch über "Die Unfähigkeit zu trauern" als sozialpsychologische Hypothek der Deutschen beschrieben hat, ist hier Teil der dichterischen Vorstellungskraft geworden. Die Überlebenden haben sich vom einst so geliebten Führer getrennt, als hätte es ihn nie gegeben. Da muß, so meint der Geist des Erzählers, noch etwas in Ordnung gebracht werden.

So kommt es zur entscheidenden Wahnvorstellung: "Hitler ist nicht verbrannt worden. Eigenhändig habe ich ihn in meinem Vorgarten eingegraben und nähre mich noch immer von des Führers Fleisch, durch das ich mich bohre, ohne Unterlass bemüht, die Seele zu finden." Eben diesen rätselhaften Tick haben die Ärzte als "Zombie-Syndrom" diagnostiziert. Anscheinend eine harmlose Sonderform der Schizophrenie: Der Patient sieht sich nicht selbst als Hitler, er fühlt sich eher als der Zauberer, der das Scheusal bei Bedarf wieder zum Leben erwecken und ihn seine Rolle noch einmal spielen lassen kann. Um das zu bewerkstelligen, schreibt der Zauberer einen Zweiakter, in dem Hitler, eine ehemalige BDM-Führerin und ein in der Gaskammer ermordeter Jude in einem absurden Dialog aufeinander treffen. Bei der Aufführung in der Heilanstalt bilden die Insassen das johlend applaudierende Volk.

Doch die Inszenierung nach Art des Parteitags mißlingt. Der Zauberer beerdigt Hitler für immer und wird als geheilt entlassen. Wahn und Wirklichkeit verschmelzen, nichts scheint erledigt - wie im realen Leben.