Karl Günther Hufnagel
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Es war nichts zu wollen mit ihm. Sie hätte aber nicht mehr über sein Schweigen klagen können. Hele wußte nicht, ob es ihr gelungen war, ihn zu sich nachhause zu bringen, oder ob er ohne Zutun mitgegangen war. Eines hatte sie längst verstanden, daß es Frauen bestimmt war, zuzuhören. Trotzdem war sie zu ungeduldig, sichs in der Sofaecke bequem zu machen, auch wenn von vornherein klar war, daß eine Antwort von ihr nicht erwartet würde. Sie lief in der Wohnung herum, als habe sie eine Menge zu tun. Obwohl er kein Interesse zeigte an Essen und Trinken, schaffte sie immer neues heran. Kaum hatte sie die belegten Brote, die Kekse und solches Zeug auf den Tisch gestellt wie auch den Wein, hatte sies schon selber vertilgt, was Crapzik zur Kenntnis nahm, ohne sich stören zu lassen.
Er sagte: "Irgendwas muß ein Mensch tun. Du willst mir nicht zuhören. Stell dir den Detektiv vor. Er ist arbeitslos. Arbeitsloser als ein Arbeitsloser sein kann. Denn der kann zum Arbeitsamt. Wo aber soll der Detektiv hin? Er kann nicht an Türen klingeln und den Hausfrauen Dienste anbieten."
"Das leuchtet ein."
Sie bestätigte willig.
"Darum macht er sich auf den Weg, ein Verbrechen zu finden, seinen Verbrecher, den zu verfolgen er sich als Mann der Gerechtigkeit gezwungen sehen würde. Er ist Ende dreißig und hat nur noch zu gewinnen. Wäre er mutig, müßte er zugeben, daß er bereits verloren hat. Das aber gesteht er nicht ein. Ein paar Jahre schenkt er sich noch. Er ist Optimist, er zwingt sich. Nehmen wir an, er sei verheiratet, hat zwei Kinder. Detektive haben in der Wirklichkeit Kinder. Dies ist zwar ein Detektiv im Roman, aber kein Romandetektiv. Die Frage, was Roman, was Leben. Wüßtest du zu klären, ob du dich erfunden hast oder ob du tatsächlich das bist, was du bist? Ich jedenfalls halte dich für ausgedacht. Von mir."
Er hielt den Mund offen, bereit weiter zu reden, während er Hele betrachtete, als sei er erstaunt, sie vor sich zu haben. Er schaute ihr auf den Bauch, dann doch ins Gesicht, zurück zu den Füßen. Sie spürte den Schweiß über der Brust, es war peinlich. Dennoch blieb sie ruhig.
Sie war barfuß, so sagte er:
"Du hast zu enge Schuhe."
Nun erst drehte sie sich weg, verschwand in der Küche. Er redete lauter hinter ihr her: "Würde es dir Spaß machen, von mir erfunden zu sein? Ich hielte das für großartig. Tatsache: Ich habe mich erfunden, und ich habe dich erfunden. Ein Paar, das sich einzig und allein in der Vorstellung bewegt. In meiner."
Sie lehnte unter der Tür, gegen den Rahmen, mit geschränkten Beinen, den Kopf geneigt, kaute am Daumen, als verhöhne sie ihn mit der Mädchenpose. Er wollte aufstehen, blieb doch sitzen, fragte:
"Kommt dir das seltsam vor?"
"Warum?"
Sie veränderte ihre Haltung nicht, behielt auch den Daumen im Mund.
"Ich bin überzeugt davon."
Er ließ den Blick nicht von ihr, nun starr, die Stimme spreizte sich heiser: "Ich bin meine eigene Phantasterei. Aber laß die Liebe aus dem Spiel. Wer interessiert sich dafür? Die passiert. Alles gehört zusammen. Du, ich, wer weiß was noch. Ungeheuerliches vielleicht, Grauenhaftes, Lächerliches. Alles in einem. In meinem Kopf oder so wo. Ich bin meine Vorstellung. Und umgekehrt ist meine Vorstellung ich. Eine Vorstellung erzeugt erst ihren Erfinder."
Sie kam näher, kniete hin, umfaßte seine Schenkel. "Habe ich dich gemacht?"
"Das hast du."
"Mein Detektiv?"
Sie hatte den Kopf auf seinem Knie, lächelte hoch. "Du hast mich gefunden. Deinen Verbrecher?"
"Ich werde dich verfolgen."
Er hielt ihren Kopf in beiden Händen. Sie nahm seine Hände weg, setzte sich aufs Sofa. "Wenn du das noch lange machst ..."
"Schläfst du ein?"
"Ja."
"Das macht nichts. Da du meine Vorstellung bist, schläfst du dort. Was in der Vorstellung ist, geht nicht verloren. Und wenn du meine Vorstellung bist, hast also auch du mich erfunden. Jeden Muskel."
Sie dehnte das Lächeln langsam über ihr Gesicht: "Schön wäre es."